11

 

Wir starrten einander nur an und fragten uns, ob wir richtig gehört hatten. Sie fuhr fort: »Guckt mich nicht so an. Kommt, setzt euch und hört mir vernünftig zu. Du mußt nicht ausgerechnet jetzt gehen, Susan, und wenn du gehst, kannst du alles noch mit Paul besprechen. Es hat keine Eile. Eure Anzahlung im Internat verfällt ohnehin.« Das schien Larry und mir so unwichtig, daß wir zu Miss Fletchers Ärger ziemlich hysterisch zu lachen begannen. Wir folgten ihr in das leere Wohnzimmer und hörten ihr stumm zu. Ihre Stunde war gekommen, und wir spielten nur eine ganz unbedeutende Rolle.

»Ich würde die Kinder nehmen. Das heißt von montags bis freitags. An den Wochenenden müßtet ihr sie abholen. Sie könnten bei mir um die Ecke zur Schule gehen.«

Larry und ich tauschten einen Blick. Wir hatten denselben Gedanken. Tante Kate hatte das alles vorausbedacht, als sie das Haus kaufte. Keine von uns beiden war natürlich so dumm, darauf hinzuweisen. Nach einer langen Pause sagte ich: »Das wäre einfach herrlich. Aber wie ist es mit dir? Kannst du es wirklich machen? Ist dir das nicht zuviel Arbeit?«

»Arbeit? Unsinn. Ich habe mein Leben lang hart gearbeitet, und wenn es mir zuviel ist, zwei Kinder fünf Tage in der Woche zu haben, die noch dazu den ganzen Tag in der Schule sind, dann gehe ich am besten auf dem schnellsten Wege in ein Altersheim.«

»Aber sie sind so ungezogen«, sagte Larry, die ausnahmsweise einmal völlig erstaunt war.

»Nur weil sie unglücklich sind. Oh, ich will nicht leugnen, daß sie auch so immer lebhaft und zu dummen Streichen aufgelegt sind, aber es ist nicht so schlimm, als daß ich nicht damit zurechtkommen könnte.«

»Sie würden dich nicht fertig machen?« stotterte ich, und Kate fuhr uns barsch an.

»Sei nicht albern, Susan. Ich habe noch gesunden Menschenverstand, ihr vielleicht nicht. Seht ihr, ich bin keine Mutter. Meine Generation hat sich nicht von anderen fertigmachen lassen, nicht einmal von schwierigen alten Leuten. Es ist unwahrscheinlich, daß ich zusammenklappe, weil ich für zwei Kinder sorgen muß.«

»Aber das ist nicht richtig«, ereiferte sich Larry. »Ich meine, es dir aufzubürden. Schließlich ist das unsere Aufgabe.«

»Es wird euch mit größerer Wahrscheinlichkeit ins Grab bringen, wenn es so weitergeht. Nein, Larry, sie sind keine Belastung für mich. Vielleicht ist das die Meinung einer alten Jungfer, aber mir scheint es, als seien Kinder nur eine Belastung für die eigenen Eltern.«

Über diese scharfsinnige Bemerkung konnten wir nur lächeln. Tante Kate fuhr nun freundlicher fort. »Die Kinder sind immer bei den Menschen am ungezogensten, die sie am liebsten mögen.

Bei mir werden sie schon anständig sein, wahrscheinlich, weil ich ihnen gleichgültiger bin.«

Ihre Stimme war traurig, und ich fing zusammen mit Larry an zu sprechen. Larry sagte: »Sie sind dir gegenüber alles andere als gleichgültig«, und ich fügte hinzu: »Sie haben dich von der ersten Minute an in ihr Herz eingeschlossen«; ich sagte jedoch nicht, daß ich mich manchmal fragte, warum.

Kate versuchte, ihre Freude zu verbergen. »Na ja, um ehrlich zu sein, ich habe Kinder immer gern gehabt, und diese armen Kleinen immer ganz besonders. Das sind Kinder, die ich verstehe, die ich mir immer als eigene erträumt habe.«

Ich hoffte, daß sie in unseren Kindern etwas davon wiederfinden würde, obwohl es im Augenblick wahrscheinlicher war, daß sie Alpträume bekam.

Wir saßen ein oder zwei Minuten lang still, und dann fragte Larry vorsichtig: »Tante Kate, hast du wirklich darüber nachgedacht? Hast du alles genau und gründlich überlegt?«

Kate runzelte die Stirn. »Wirklich, Larry, nur weil du selbst so ein Wirrkopf bist, brauchst du nicht von allen anderen dasselbe anzunehmen. Natürlich habe ich lange darüber nachgedacht, seitdem ich merkte, welche Auswirkung das bevorstehende Leben im Internat auf die Kinder haben würde. Ich habe nichts gesagt, bevor ich nicht wirklich sicher war.«

»Aber wird es deine Freiheit nicht beeinträchtigen, dein Recht, zu tun und zu lassen, was du möchtest?« fragte ich unklugerweise.

»Jetzt hört endlich mit dem Unsinn auf. Es wird keine harte Arbeit sein. Ihr solltet genug von harter Arbeit verstehen, um zu wissen, daß ein völlig bequemes, modernes Haus und zwei Kinder, die den ganzen Tag über weg sind und nur fünf Tage in der Woche bleiben, einem normalen Menschen nichts ausmachen dürfen. Ich weiß natürlich, daß ihr modernen jungen Dinger jede anständige Arbeit scheut, wenn ihr könnt, aber... «

Wir lehnten es ab, darauf zu antworten, sondern lachten nur und blieben hartnäckig beim Thema. »Aber du bist doch angebunden. Das kannst du nicht leugnen. Du mußt da sein, wenn sie aus der Schule kommen. Du mußt abends zu Hause bleiben.«

»Na und? Glaubt ihr, ich möchte abends Nachtklubs besuchen und ein lustiges Leben führen? Wenn ich das will, kann ich es noch immer an den Wochenenden tun, und drei Nächte sollten jedem genügen. Um drei Uhr zu Hause zu sein ist auch nicht schwierig, oder meint ihr, ich sehne mich nach Kaffeekränzchen oder will mit alten Frauen Golf spielen? Ihr solltet wirklich etwas vernünftiger denken.«

»Trotzdem, es wird dich einengen«, drängte Larry, und plötzlich wurde Kates Stimme sanfter. »Vielleicht möchte ich mich einengen lassen. Vielleicht möchte ich nicht nur für die Katze sorgen, die ich bestimmt haben werde. Könnt ihr nicht verstehen, daß ich einsam sein werde?«

Das war eine Antwort, vor der Larrys und meine Bedenken verschwanden.

»Für uns wäre es der Himmel auf Erden«, gab ich zu. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, was es bedeutet zu wissen, daß sie glücklich sind und jedes Wochenende nach Hause kommen können. Sie würden langsam von zu Hause entwöhnt, nicht so plötzlich.«

»Es ist vielleicht albern, aber mir war diese Internatsgeschichte immer schrecklich«, sagte Larry. Dann lachte sie traurig. »Aber natürlich heißt das, daß sie gewonnen haben. Die kleinen Ungeheuer haben uns geschlagen.«

»Warum auch nicht? Warum nicht eine Niederlage einstecken, wenn ihr einen Fehler gemacht habt? O ja, ich weiß, damals gab es keine Alternative, aber jetzt gibt es eine, und wenn eure Männer den Einfall gut finden, sehe ich nicht ein, warum ihr nicht ohne weiteres Gerede zustimmt? Diese kleinen Schwerenöter brauchen doch nie zu erfahren, daß es etwas mit ihrem dummen Streich zu tun hatte. Außerdem war das auch nicht so. Es hat mich nur davon überzeugt, daß mein Einfall gut war. Ich tue, was mir Spaß macht, und darauf habe ich ein Recht.«

Ihr Ton war angriffslustig, also widersprachen wir nicht weiter. Wir hatten auch nicht das Bedürfnis.

Abgesehen von allem anderen wurde es billiger. Kate würde sich hier natürlich auf eine vernünftige Abmachung einlassen.

»Ich biete es euch nicht umsonst an, denn ihr würdet es doch nicht annehmen. Aber ich will auch keinen Gewinn machen. Ich möchte nur einen vernünftigen Betrag, der die Ausgaben für die fünf Tage abdeckt, und über dieses Thema werden wir keinen dummen Streit anfangen. Ich werde das alles ausrechnen und die Unkosten feststellen, und damit ist es gut«, sagte sie wildentschlossen, und die Männer wurden so eingeschüchtert, daß sie zustimmten.

»Natürlich wären wir irgendwie mit den Gebühren fertig geworden«, sagte Paul, »aber es wäre schwierig gewesen. Und die Kinder werden glücklich sein.«

»Und sie haben gewonnen«, kommentierte Sam, aber wir erzählten ihm, daß Kate gesagt hatte, man dürfe sie nicht in dem Glauben lassen, ihr Verhalten von neulich habe etwas mit dieser Regelung zu tun. »Außerdem glaube ich auch nicht, daß es etwas damit zu tun hatte«, sagte Larry. »Ich glaube, Kate hatte sich das schon am Anfang in den Kopf gesetzt, als sie herausfand, wie gern die Kinder sie mochten. Schließlich sind wir alles, was sie noch an Familie hat, abgesehen von Mrs. Lee, und die zählt nicht. Die gute alte Kate sehnt sich nach Liebe.«

»Für uns ist sie wirklich eine Gottgesandte«, sagte Paul mit mehr Begeisterung, als er normalerweise zeigte. »Ich mochte sie schon immer gern, aber ich hätte mir nie träumen lassen, daß sie so ein rettender Engel wäre.«

»Schön, es den Kindern sagen zu können«, sagte Sam, »und zu sehen, wie sie reagieren.«

In diesem Punkt wurden wir nicht enttäuscht. Als wir es ihnen erzählten, waren sie einen Augenblick wie vom Schlag gerührt, und dann sagte Christina langsam: »Bei Tante Kate wohnen? Abends zu ihr gehen und an den Wochenenden zu euch? Dann brauche ich diese gräßlichen Kleider nicht zu tragen und nicht in die scheußliche Schule zu gehen.«

»Nein, das brauchst du nicht — und ich brauche keine Kleider mehr zu kaufen«, stimmte ihre Mutter fröhlich zu.

Christopher sagte gar nichts, sondern stand nur da, und sein Gesicht wurde immer röter. »Jedes Wochenende unsere Ponys haben? Nicht in einem Schlafsaal mit vielen anderen Kindern schlafen? Oh, Klasse!«

»Ja, so wird es sein, darum hoffe ich, ihr werdet bei Tante Kate sehr brav sein und ihr keine Sorgen machen«, sagte ich, fest entschlossen, die Gelegenheit beim Schopf zu packen.

Einen Moment dachte ich, er würde gleich weinen. Dann schluckte er fest und sagte ruhig: »Ich mag Tante Kate gern. Ich habe sie schrecklich lieb. Es wird schön sein, bei ihr zu wohnen, auch wenn wir jeden Tag zur Schule gehen müssen.«

»Das müßt ihr ganz bestimmt, in eine große Schule mit Hunderten von anderen Kindern, und dort müßt ihr hart arbeiten und euch gut benehmen.«

Christinas Gesicht wurde länger. »Eine große Schule? Hunderte von anderen Kindern?« stammelte sie und war den Tränen nahe. Wie früher kam ihr Christopher zur Hilfe.

»Das macht nichts. Ich bin ja da«, sagte er mit dem herrlichen Selbstbewußtsein der Männer. »Ich werde mich um dich kümmern, und sobald die Schule aus ist, laufen wir nach Hause zu Tante Kate. An den Wochenenden werden wir reiten und reiten und brauchen gar nicht ’runterzufallen, um uns irgend etwas zu brechen.«

Hier hielt er inne und sah aus wie ein Sündenbock. Larry und ich gingen völlig über diesen Ausrutscher hinweg. Sie durften nie glauben, daß sie durch ihre eigene Ungezogenheit gewonnen hatten. Außerdem stimmte es auch nicht. Das war nicht Tante Kates Art. An diesem Abend ging ich sehr glücklich zu Bett. Eine schreckliche Sorge war ich los. Natürlich wußten die Kinder nicht, wie ganz anders ihr Leben in der Schule sein würde, aber ihr Leben zu Hause würde glücklich und nicht zu verändern sein. Ich sagte zu Paul: »Heute nacht werde ich besser schlafen, und Larry auch.« Dann fiel mir ein, daß eine große Sorge blieb, und ich seufzte tief. Paul grinste.

»Aber du wirst bestimmt noch etwas finden, worüber du dir den Kopf zerbrechen kannst. Was ist es diesmal?«

Da ich wußte, daß Oliver Tony am nächsten Tag alles eröffnen würde, erzählte ich Paul die ganze Geschichte. Natürlich enttäuschte er mich, weil er einen sehr praktischen Standpunkt einnahm. »Aber mach’ kein so tragisches Gesicht. Eis mußte doch so kommen, und es ist gut, daß es jetzt gekommen ist. Du weißt, daß du dich mit dem Gedanken an diese Heirat nie richtig anfreunden konntest. Jetzt wird die Sache nach der einen oder der anderen Seite entschieden.«

»Nur nach der einen Seite, glaube ich.«

»Das weiß ich nicht so genau. Wenn Tony wirklich in ihn verliebt ist — und das ist sie ganz sicher — dann wird sie tun, was jede Frau tun muß, sich nämlich dem Leben anpassen, das ihr Mann gewählt hat. Wenn sie das nicht will, ist es besser, sie entscheidet sich bald.«

Ich wußte, daß er recht hatte, erklärte ihm jedoch, daß man von ihm als Tonys Vormund, solange sie in Neuseeland blieb, sicherlich gute Ratschläge erwartete.

»Ich frage mich, was deine Schwester denken wird, wenn Tony ihre Verlobung löst und weiter in Tiri im Laden arbeitet. Sie wird bestimmt wütend sein. Sie war so dankbar, als Tony sich entschlossen hatte, wieder standesgemäß zu leben.«

»Ist es wichtig, was Claudia sagt? Sie wird Tony nicht beeinflussen.«

»Nein, diesmal wird sie nichts beeinflussen — weder Alister noch wir. Sie wird ihren eigenen Weg gehen.«

»So sollte es auch sein, es sei denn, Oliver wäre der richtige Mann, dann wird sie seinen Weg gehen.«

»Das glaube ich nicht, und ich habe Angst, daß sie es später bereut.«

»Das glaube ich nicht, außerdem weißt du, daß Tony schon einmal ein gebrochenes Herz hatte und ganz gut darüber hinweggekommen ist.«

Ich sagte hitzig: »Das ist etwas ganz anderes. Sie war ein romantisches kleines Mädchen, als sie sich in Norman Craig verliebte.« (Das war der Pfarrer, der doppelt so alt war wie sie, und den sie mit siebzehn angebetet hatte.) »Diesmal hat sie sich entschlossen, einen Mann zu heiraten. Sie hat mit ihm gearbeitet, ja fast sein Leben geteilt. Sie bewundert ihn sehr oder bewundert zumindest seine Arbeit, und ich bin sicher, daß sie ihn liebt oder es sich einbildet.«

»Na ja, es ist ihre Entscheidung. Wenn sie ihn liebt, wird sie mit ihm gehen. Es ist von einem Mädchen wirklich nicht zuviel verlangt, ein angenehmes Leben in der Stadt, eine Menge Geld und viel Spaß. Ich glaube nicht, daß Tony das ausschlägt.«

Aber er meinte nicht wirklich, was er sagte, denn insgeheim hatte Paul Tony sehr gerne und spürte auch, daß ein so warmherziger und aufrichtiger Mensch, der sich dem Glück anderer Leute verschrieb, nicht hätte getäuscht werden dürfen. Natürlich war sie albern, sich einzubilden, daß sie ihren Hinterlanddoktor gefunden hatte, aber sie würde auch sehr unglücklich sein.

Unsere letzten Worte an diesem Abend waren etwas fröhlicher: »Ist es nicht herrlich zu wissen, daß Christopher im nächsten Jahr glücklich sein wird und wir uns nicht von ihm trennen müssen?«

»Ja, aber sie dürfen sich nicht einbilden, daß ihre Streiche irgend etwas damit zu tun haben. Es ist besser, wenn sie gar nicht erfahren, daß wir ihr kleines Spiel durchschaut haben.«

Aber am nächsten Tag wurde dieser Entschluß zunichte, denn als Christopher und ich zu Larry gingen, begannen er und Christina sofort ein geheimes Gespräch und kehrten dann in das Zimmer zurück, wo Larry, Kate und ich uns über Kleider und Gespräche mit den Lehrern unterhielten. Es war offensichtlich, daß irgend etwas ihre Gedanken stark beschäftigte. Ihr Gewissen auch, vorausgesetzt, daß sie eines hatten. Wie üblich, war Christopher der Sprecher. Mit ziemlich unsicherer Stimme sagte er: »Wir haben etwas — etwas, was wir euch wohl erzählen müssen«, dann stockte er.

Christina kam herein und unterstützte ihn, wie sie es immer tat. »Wir haben ein Problem«, sagte sie mit ganz, unschuldiger Miene. Wir ahnten alle, was kam, aber ich versuchte, es abzuwehren und sagte: »Was habt ihr denn jetzt angestellt? Irgend etwas kaputt gemacht?«

»Nein, schlimmer.«

Wieder folgte eine lange Pause, und dann sah ich, daß Christopher mit sich kämpfte und Christina jeden Augenblick in Tränen ausbrechen würde. Auch Larry sah das und sagte aufmunternd: »Dann ’raus damit..., und fangt nicht an zu heulen, davon habe ich genug.«

Jetzt war Kates Stunde gekommen, und sie sagte mit sanfter Stimme, mit der sie nur zu Kindern sprach: »Na ja, sie hatten ja auch Grund dazu. Schließlich haben sie einige böse Unfälle hinter sich. Ich glaube, ihr solltet diese Ponys weggeben. Sie scheinen nicht zuverlässig zu sein.«

Das war der Auslöser. Ein Wort gegen ihre geliebten Ponys, und sie waren bereit, alles zuzugeben. Christopher sagte: »Aber sie sind zuverlässig, Tante Kate, völlig zuverlässig.«

»Nun, wenn sie zuverlässig sind, warum fallt ihr dann dauernd ’runter? Ich verstehe natürlich nicht viel davon, aber ich hielt euch für gute Reiter.«

Das schlug ein, denn ihr Reiterstolz ging ihnen über alles. Diesmal legte Christina los. »Sind wir auch«, stammelte sie.

»Wir sind gute Reiter. Wir waren noch Babies, da sind wir schon geritten« — eine Übertreibung, die von ihrer Mutter hätte stammen können.

»An was lag es dann?«

Christopher sagte unnatürlich laut: »An uns lag es, Tante Kate. Christina — Christina ist absichtlich ’runtergefallen.«

Kate gelang es, erstaunt auszusehen. »Warum habt ihr das getan?«

»Wir dachten, wenn wir uns ein Bein brechen — oder etwas anderes, brauchten wir nicht ins Internat zu gehen«, sagte Christopher und versuchte, männlich auszusehen, wirkte aber nur wie ein ganz unglücklicher kleiner Junge.

Tante Kate sah gar nicht überrascht aus, sondern sagte nur ruhig: »Das wäre sehr dumm gewesen. Ihr hättet euch schwer verletzen können, und ich möchte nicht mit einem Krüppel zusammenleben.«

Christopher schnappte nach Luft. »Du meinst, es macht dir nichts aus? Du nimmst uns trotzdem?«

»Warum nicht? In der Stadt habt ihr doch keine Ponys.«

»Aber wir haben es geplant. Christina sollte zuerst ’runterfallen, weil sie es wollte. Dann ich. Wir wollten uns ein Bein brechen oder — oder irgend etwas. Damit wir nicht in die scheußliche Schule gehen mußten.«

»Wir hätten alles getan, um nicht hingehen zu müssen«, sagte Christina, die diesmal am Ball blieb.

»Es war richtiger Betrug«, sagte Christopher ganz zerknirscht, »und du hast immer gesagt, Mutter, daß du alles vertragen kannst, nur keinen Betrug.«

Für mich war das vorbei, und ich sagte leise: »Na ja, im Ergebnis hat es nichts geändert, wir wollen es jetzt vergessen.«

»Aber wird uns Tante Kate trotzdem gern haben?« jammerte Christina, den Tränen nahe.

Kate meisterte die Lage hervorragend. »Aber natürlich. Sei nicht albern und sentimental, Christina. Mit mir hat das nichts zu tun, und es hat sich nichts geändert. Ihr habt euch nur selbst geschadet. Das war absolute Zeitverschwendung. Demnächst sagt ihr sofort, was ihr auf dem Herzen habt.«

»Aber Mutter hatte gesagt, wir dürfen nicht mehr darüber sprechen«, begann Christopher, und Christina fügte hinzu: »Sie haben gesagt, sie wollten nichts mehr davon hören.«

Larry und ich tauschten einen betroffenen Blick. Wir waren >sie< geworden... der Feind. Natürlich unsere eigene Schuld.

Überhaupt nicht eingeschüchtert durch Kates Ermahnung, warf sich Christina in ihre Arme und sagte: »Dann hast du uns noch immer lieb? Es macht dir wirklich nichts aus?«

Kate, die versuchte, gleichgültig auszusehen, aber verstohlen ihren Arm fest um den kleinen Körper legte, sagte: »Natürlich nicht. Jeder macht einmal einen dummen Streich. Jetzt wollen wir über etwas anderes reden. Das ist doch alles ziemlich langweilig... Susan, du hast gesagt, Christopher braucht mindestens vier Paar kurze Hosen... «